Ein Gastbeitrag von Vera Marzinski
Zu einem barocken Gipfeltreffen im Namen der Viola hatte die Kölner Philharmonie eingeladen, bei dem die beiden Bratschisten Antoine Tamestit und Alexandru-Mihai Bota sowie die Akademie für Alte Musik Berlin (kurz Akamus) nur selten zu hörende Werke für zwei Violen von Bach und Telemann spielten.
Mit dem „Concerto grosso d-Moll op. 6,10 HWV 328“ von Georg Friedrich Händel eröffnete Akamus das Konzert. Das 1982 in Berlin gegründete Kammerorchester Akamus gehört heute zur Weltspitze der historisch informierten spielenden Kammerorchester. Das 14-köpfige Ensemble, unter Leitung von Bernhard Forck, zeigte schon mit der Ouvertüre, wie sich die einzelnen Stimmen zusammenfügen und wie in einer Fuge gegenseitig nachahmen. Die Concertino-Violinen bekamen im vierten Satz kleine Soli. Im Mittelpunkt des Konzertes stand allerdings die Bratsche – gespielt von Antoine Tamestit. Dessen Repertoire reicht vom Barock bis zur Gegenwart. Sein Engagement für zeitgenössische Musik spiegelt sich in zahlreichen Uraufführungen wider. Gemeinsam mit Akamus hat er eine CD aufgenommen, aus der auch einige Stücke gespielt wurden, so das „Konzert für Viola, Streicher und Basso continuo TWV 51:G9“ von Georg Philipp Telemann. Hier schöpft Telemann den Tonumfang des Soloinstrumentes in der Tiefe voll aus und bringt so seinen sonoren Klang zur Geltung. Brillant, wie Antoine Tamestit dies umsetzte. Eleganz und Sinnlichkeit dominieren im Spiel des Bratschisten Antoine Tamestit. Er spielt auf der allerersten Bratsche von Antonio Stradivarius aus dem Jahr 1672, die ihm von der Habisreutinger Stiftung großzügigerweise zur Verfügung gestellt wird.
Gemeinsam mit dem in London lebenden Rumänen Alexandru-Mihai Bota, der sowohl moderne als auch barocke Bratsche spielt und sich neben seiner Tätigkeit als klassischer Musiker auch dem Jazz und anderen Formen der improvisierten Musik widmet, sowie mit Raphael Alpermann am Cembalo, Katharina Litschig am Violoncello, an der Violone Michael Neuhaus und mit zwei Viola da gamba – Anna Reisener und Irene Klein – spielte Tamestit die „Sonate für Viola da Gamba und Cembalo g-Moll BWV 1029“. Die Musiker präsentierten es in der Fassung von John Hsu, der das Werk 1984 für diese Besetzung – genau wie die beim sechsten Brandenburgischen Konzert eingerichtet hat. Da war es natürlich vollkommen verständlich, dass im zweiten Teil Bachs „Brandenburgisches Konzert Nr. 6 B-Dur BWV 1051“ – ein echtes Doppelkonzert in den Violen die Hauptrollen spielten. Violinen fehlen darin ganz, und zwei Gamben übernehmen nur Begleitstimmen. Bachs sechstes Brandenburgisches Konzert und Telemanns Konzert für zwei Bratschen spielte Tamestit an der Seite des sichtlich verzückten Sascha Bota.
Telemanns „Ouverture burlesque für Streicher und Basso continuo TWV 55:B8“ setzte das Akamus-Kammerorchester wunderbar die musikalische Gestaltung der einzelnen Abschnitte um, die zum Teil über kleinere ungewöhnliche Ausgestaltungen und zum Teil aber ebenfalls über die Motivwahl einen burlesken Eindruck erzeugten. Insgesamt bewiesen die Bratschen-Solisten und die Akademie für Alte Musik sich als kongeniale Partner. Voller Bewegung und Tatendrang trieben sich Solisten und Orchester gegenseitig zu brillantem Spiel und grandiosem Konzerterlebnis für die Gäste der Kölner Philharmonie an.
Alle Fotos © Vera Marzinski