Víkingur Ólafsson ist alles andere als ein Pianist von der Stange. Als im Jahre 2017 sein Debüt-Album „Glass-Works“ bei der Deutschen Grammophon erschien, war die Begeisterung sowohl beim Publikum als auch bei Kritikern allgemein sehr groß. Dabei erschien die Wahl des Komponisten für ein Erstlingswerk eher ungewöhnlich. Kein Bach oder Beethoven, kein Chopin oder Mozart … sondern der amerikanische Musiker Philip Glass (geb. 1937 in Baltimore/Maryland) rückte in den Fokus. Nicht gerade eine Ikone der klassischen Musik, sondern eher ein Vertreter der sogenannten „minimal music“, dessen Werke aber über eine besondere Sogwirkung verfügen.
Ausdruckskraft und Leidenschaft
Als ich seine Tonschöpfungen erstmalig hörte, musste ich spontan an den schon zu Lebzeiten belächelten Eric Satie denken, dessen Werke hochrangige Pianisten noch heute scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Eigentlich völlig zu Unrecht, denn auch Satie war ein Vertreter der eher einfachen Strukturen, dessen Miniaturstücke eine regelrecht hypnotische Eindringlichkeit ausmachen. Glass ́ rhythmisch treibende Musik klingt wie der Soundtrack zu einem Terrence Malick-Kunstfilm und Ólafsson spielt sowohl die Etüden als auch das traumhafte Opening von „Glassworks“ mit einer ungeheuren Ausdruckskraft und emotionalen Leidenschaft. Ein absolut gelungenes Debut und der Auftakt zu eine Reihe hörenswerter Aufnahmen.
Das schlichtweg „Johann Sebastian Bach“ genannte Nachfolgealbum besticht ebenfalls durch ein Spektrum an Klangfarben. Besonders interessant wirkt dabei die Zusammenstellung der einzelnen Stücke aus dem umfangreichen Bach-Fundus. Òlafsson hat eine Auswahl unterschiedlicher Werke des Eisenacher Großmeisters zu einem warmen Musikgemälde zusammengefügt. Wie einfach und fast sparsam, aber trotzdem intensiv und akzentuiert Bach klingen kann, beweist der Isländer auf eindrucksvolle Weise mit seinem sinnlichen, reflektierenden und facettenreichen Spiel. Da Bach bekannterweise kaum Angaben darüber gemacht hat, wie man seine musikalischen Strukturen realisieren soll, hat der Pianist natürlich eine gewisse interpretatorische Freiheit. “Ohne Bach wäre alles nichts”, sagt Víkingur Ólafsson. “Wenn Glass‘ Musik Minimal Music ist, dann ist Bach maximal.”
Triad Abschluss
Der Triade Abschluss bildet das Album „Debussy/Rameau, mit Werken zweier großartiger französischer Komponisten aus verschiedenen Jahrhunderten. Gerade Rameau wird auf europäischen Konzertbühnen viel zu selten gespielt, dabei ist sein Repertoire alles andere als trivial oder gar leidenschaftslos. Zu seiner Zeit galt Jean-Philippe Rameau (1683-1764) sogar als eher revolutionär, da er wissenschaftliche Abhandlungen über das Kräftespiel der funktionalen Harmonik verfasste. Debussy hat sich durch diese Auffassungen 180 Jahre später inspirieren lassen und Òlafsson ist es gelungen, die Werke beider Komponisten geschickt miteinander zu verknüpfen und eine geistige Verbindung herzustellen.
Sowohl klanglich als auch interpretatorisch ist die bei der Deutschen Grammophon zu einem günstigen Preis erschienene kleine Box „Triad“ das reinste Hörvergnügen und ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass das exzellent ausgesteuerte Klangbild eines Flügels in der Lage ist, der Ausdruckskraft des Pianisten Gestalt zu verleihen.
Vikingur Olafsson ist derzeit einer der angesagtesten und (abgesehen von den coronabedingten Auftrittseinschränkungen) meist konzertierenden Pianisten weltweit. Seine bisher veröffentlichen Alben, hier in Form von Triad erhältlich, haben allesamt einen konzeptionellen Charakter und sprengen den Rahmen dessen, was üblicherweise unter klassischer Musik zu verstehen ist. Sie sind eher ein moderner Soundtrack aus dem Film, den man Leben nennt.