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Einfach Klassik.

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Anna Veit Cover

CD-Review: Anna Veit und Ensemble GoldMund

„Wachet auf, ruft uns die Stimme!“ Woraus? Aus der ganzen Jahresendzeithektik? Ist Weihnachten, welches auf englisch Christmas heißt, nicht jedes Jahr im Vorfeld ein großes „Christ-Mess“? 

Auf der CD „Mehr oder weniger Lametta“ animieren die Sängerin Anna Veit zusammen mit dem Ensemble GoldMund zum Nachdenken. Aber vor allem kredenzen sie musikalisch höchst kompetent eine einfühlsame Liebeserkärung an das Fest der Feste. 

Anna Veit mixt

Anna Veit setzt jeder Lametta-Gefühlsduselei brillante Chansonniere-Qualitäten entgegen. Genauso flexibel sind die Bläser des Münchener Orchesters, die als kreative Arrangeure ihr Bestes geben und auch in jazzigen Klangfarben sehr gut zuhause sind. Der Choral „Vom Himmel Hoch“ wird umgedeutet und heißt jetzt – siehe oben – „Christ-Mess, im Himmel droben geht s hoch her.“ Um dies zu unterstreichen, schleichen sich schräge Jazzharmonien in die alte Choralmelodie ein. Würde Bach heute noch leben – er hätte wohl seine Freude dran, denn im Kern war er ja auch ein Jazzer. Anna Veit und das GoldMund-Sextet favorisieren den gut zusammen gestellten Mix, der auf jedem Gabentisch gut ausseht und sich noch viel besser anhört: In lyrischen Liedern wie dem auf bayerischer Mundart vorgetragenen „Es wird schon gleich dumpa“ umschmeicheln sich Anna Veits Stimme und die dicht gewebten Bläsersätze des Goldmund-Ensembles gegenseitig, bevor es auch mal munter mit viele Schlagzeug zu swingen beginnt. Ebenso ist das englische Idiom vertreten in Gestalt der Ballade „If every day was like christmas“. Tschaikowskis zur Weihnachtszeit unverzichtbare „Nussknacker“-Balletmusik kommt gleich mehrmals vor, vorzugsweise in prachtvoll ausgearbeiteten Bläserchören.

Anna Veit und Ensemble GoldMund
Anna Veit und Ensemble GoldMund

Dank vieler ausgewählter Songs und vor allem deren Texte kommt die kabarettistische Note dieses Programms nicht zu kurz. Die Kunst, dieses Fest zu begehen, zeigt sich darin, den zu vielen Konventionen und Gewohnheiten abzuschwören, welche diesem einstmals höchsten christlichen Fest in heutiger Konsum-Lebenswelt anhaften. Fazit: Das schönste Geschenk ist wohl kaum materieller Natur. Sven Regener stößt in ein solches Horn mit seinem wunderbar melancholischen Lied, das einfach nur „Weihnachten“ heißt und unsterblich wurde – sobald er im Jahr 1991 mit der Gruppe „Element of Crime“ zum ersten Mal deutsch sang und auch selber Trompete spielte. Den klugen kabarettistischen Blickwinkel erhält sich das „neue Weihnachtslied“, aber nicht ohne dann die Melodie „O Du Fröhliche“ bejahend zu zitieren. „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ vereint Bachs polyphonen Bläserchor mit einer schwerelosen Vokalise von Anna Veit. Stilistisch flexibel und einfühlsam ist die Münchener Sängerin allemal. Das zeigt sich auch bei einem traditionellen Andachtsjodelr, der von aller Folklore befreit umso ergreifender wirkt. 

Herzblut

Es ist immer wieder erfreulich, wenn sich Mitglieder von angesehenen Sinfonieorchestern zu eigenen Projekten voller Herzblut zusammen finden. GoldMund, welches fünf Blechbläser und einen Schlagzeuger der Münchener Philharmoniker vereint, ist ein solches Beispiel. Das Horn spielt Ulrich Haider. Florian Klingler und Bernhard Peschl sind an den Trompeten versiert genug, den hellen Bachtrompeten-Klang aufleuchten zu lassen. Quirin Willert übernimmt die Posaune, Ricardo Carvalhoso lässt es an der Tuba untenrum krachen. Ja, diese Titulierung sei erlaubt, wo diese Musiker sich pointenreich und humorvoll auf den heiligen Abend „einzugrooven“ wissen. Alles das wäre nichts ohne Sebastian Förschl am Schlagzeug, der es außerdem auf dem Vibrafon weihnachtlich funkeln und glänzen lässt.

Das Album

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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