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Einfach Klassik.

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Asambura Cover

CD-Review: Asambura Ensemble – Fremd bin ich eingezogen


Das Asambura Ensemble ist ein Musiker*innen-Kollektiv, das sich auf die interkulturelle und Interreligiöse Neuinterpretation klassischer Werke spezialisiert hat. Mit dem interdisziplinären Zyklus KALEIDOSCOPIA verbindet es Musik und Tanz im Konzert. Im Zuge dessen hat der musikalische Leiter und Komponist Maximilian Guth eine Neuinterpretation von Franz Schuberts Winterreise geschaffen, und auch diese ist interkulturell geprägt. Konkret bedeutet das, dass Guth Schuberts Liedzyklus nicht einfach mit orientalischen Elementen aufgepeppt hat. Er hat ihn auf eine viel weitere Reise geschickt, indem er auf persischen Gedichten von Saadi, Rahi Moayyeri und Mehdi Akhavan-Sales basierenden Gesang und Musik eng mit der Winterreise verwob. Dadurch entstanden und entstehen beim Hören nicht nur neue Klangräume, sondern es ergibt sich auch ein ganz neues, durch die aktuellen Weltereignisse höchst relevantes Bedeutungsfeld. Es betont die zentralen Botschaften der Heimatlosigkeit, Einsamkeit und Orientierungslosigkeit, die Schubert schon in seinem Werk dargestellt hat, und transportiert sie in die Jetzt-Zeit, die geprägt ist von tief bewegenden, erschreckenden und berührenden Schicksalen all der Menschen, die auf der Flucht sind. Guths Musik tut dies jedoch nicht in verstörender oder anklagender Weise, sie behält die Melancholie aus der ursprünglichen Winterreise bei, und schafft Raum zum reflektieren und nachdenken.

Im Titelstück gleich zu Beginn wird das berühmte Motiv unter Mitwirkung von Oud, Tar und Riq zunächst mit persischen Anklängen aufgesetzt, bis es dann nach einigen Minuten in der ursprünglichen Tonfolge gespielt wird. Dann übernimmt Mehdi Saei mit seinem persischen Gesang den Fokus, den er noch an einigen anderen Punkten des Albums setzt. Diese traditionelle Gesangskultur hat Saei im Iran von bekannten persischen Sängern erlernt. 

Asambura Ensemble mit verschiedenen Einflüssen

Nach einer Zäsur folgt dann die klassische Version dieses Liedes, gesungen vom Bass Yannick Spanier, dessen Vortrag zunächst nur klassisch vom Klavier begleitet wird, zu dem aber mit der Zeit immer mehr auch die orientalischen Instrumente hinzukommen. Schon so früh im Werk wird also klar, dass hier verschiedene Einflüsse nicht nur kombiniert, sondern regelrecht verwoben werden.

Das alles kann aber nur durch die hohen Spielfertigkeiten alles Musiker*innen so eindrucksvoll wirken. Gerade in diesem Ensembleverbund stehen die Instrumente als Solostimmen allein, und haben Platz zu wirken. Die Ensemblemitglieder nutzen das sehr zu ihrem Vorteil, zum Beispiel wenn Maximilian Guth an der Bassklarinette mit äusserst weichem, manchmal sogar bewusst kraftlosem Ansatz einfühlsame Melodien zum Aufhorchen einladend in den Raum stellt. Oder wenn sein Kollege Justus Czaske an der Klarinette mit leisem, aus der Stile entspringendem Ansatz die dem Klezmer verwandten, von vielen Glissandi geprägten, wehmütigen Melodien spielt. 

Asambura Ensemble, Foto von Nader Ismail
Asambura Ensemble, Foto bon Nader Ismail


Originaltexte und persischer Gesang wechseln sich dann im weiteren Verlauf des Werkes ab, wobei Yannick Spanier im ursprünglichen Zyklus weitersingt, während Mehdi Saei in „Shod Kazan“ oder „Einsamkeit“ mit seinem Weite darstellenden Gesang beeindruckt. 

Entfernter Puls

Einen großen Abschluss findet dieser neu entstandene Zyklus dann in „Leiermann“, wenn nochmal die gesamte Besetzung in verschiedenen Konstellationen wirken, und durch verschiedene Stimmungen gehen kann, wenn Bläser und Streicher sanft auftauchende Melodieschichten hin und her spielen, und die Trommeln entfernten Puls geben.

Diese Musik zerlegt kulturelle Axiome und kombiniert sie neu. Sie stellt uns alle einmal mehr vor die Herausforderung, unser persönliches Schicksal in globalerem Kontext zu sehen, und gibt Denkanstöße über Gesellschaft und Menschlichkeit. Und durch seine interkulturelle, und Interreligiöse Besetzung kann das Asambura Ensemble in der Interpretation mit diesem Hohen Maß an Mitgefühl und Verletzlichkeit vorgehen, so daß der musikalische Vortrag und das Material nicht einfach nur glaubhaft werden, sonder mich tief bewegt zurück lassen.

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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