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Einfach Klassik.

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CD-Review: Eternum Saxophonquartett – Voyages

Wenn man über Klassikaufnahmen schreibt, dann wiederholt sich manches. Gerade in dieser Epoche. Beliebte Werke werden häufiger aufgenommen, und bei den großen Labels geben sich bekanntere Künstler*innen und Ensembles die Klinken in die Hand. Da freue ich mich wenn ein Tonträger mit unbekannteren Stücken vorliegt, oder wenn nicht so bekannte Musiker*innen beteiligt sind. Eine komplett neue Hörerfahrung zu machen ist dagegen äußerst selten, wenn nicht sogar fast unmöglich. Wenn überhaupt, dann bieten Veröffentlichungen der Neuen Musik diesen Luxus.

Einprägsame Motive

Bei der Debüt-CD “Voyages” des Eternum Saxophonquartett hatte ich dieses seltene Vergnügen. Diese nicht so häufig zu findende Besetzung weckte in mir bestimmte klangliche Erwartungen, die sich aber als vorgefasste Meinungen herausstellten. Und ich traute meinen Ohren kaum. Vier Saxophone sollten das sein? Nie im Leben! Ich hörte Flöten, Klarinetten und Hörner. Ein Hoch auf meine Hörerfahrung! Da blieb ich verblüfft, aber nicht nur das, tief begeistert lauschte ich andächtig der weichen und filigranen Klangzeichnung von Mari Ángeles del Valle Casado, Eva Kotar, Ajda Antolovič und Filip Orlović. Der CD-Erstling des Quartetts bekommt mit der Bearbeitung von Johann Christian Bachs Symphonie in b-moll, Op. 18, No. 2 von Albert Meijns gleich einen starken Beginn, der durch seinen Anmut und die festlich-konzentrierte Stimmung besticht. Die Musiker*innen arbeiten die Stärken des viersätzigen Werks durch an Nebengeräuschen arme Tonformung und dadurch auf Grundtonstärke fokussierte Klangdarstellung heraus. Die einprägsamen Motive stellt das Eternum Saxophonquartett gerade im letzten Satz “Presto” fröhlich und leichtfüßig in den Raum, wobei die schnellen Läufe höchst synchron und ohne jegliche Anstrengung ablaufen. Und auch der kräftige und wieder festliche Abschluss der Symphonie erfreut durch genau das richtige Maß an Intensität.

Das andere mehrsätzige Werk auf der CD ist das Saxophonquartett von Alexander Glazunov, das der Komponist 1932 gegen Ende seiner Karriere geschaffen hat. Auf die größere harmonische Verspieltheit gehen die vier Saxophonist*innen gerne ein und spielen sehr erzählend. Die zwischenzeitlichen Gruppenaufteilungen gelingen agil und sehr flexibel, wodurch Glazunovs Ausdruck und Intention perfekt ausgearbeitet werden. Und wieder meine ich abgesehen von einigen wenigen Klappengeräuschen wenig Nebenklänge des Instrumentenspiels zu hören, was in diesem Fall dazu beiträgt, dass die Musik für sich steht und meine Konzentration sehr auf die Komposition selbst gelenkt wird. Wieder und wieder bin ich verblüfft und begeistert vom Klangkörper des Saxophonquartetts, und dass es so klingen kann. Es ist ein ganz besonderes kammermusikalisches Erlebnis vor allem in der gesamten Formantstruktur und den Einschwingphasen der einzelnen Instrumente. Lediglich das Bariton wirkt manchmal etwas saxophonig, so wie es meine Stereotype erwarten würden. Die langsamen Sätze Glazunovs beeindrucken ganz mit klassischer Blechblas-Andacht, nur eben von Holzbläsern gespielt. Verkehrte Welt und Hör-Wunderland. Mit viel Witz in den musikalischen Zwiesprachen, zum Beispiel in “IId. Var. 3. À la Schumann. Grave” und mit tatsächlich etwas Verve und Risikofreude in “IIf. Var. 5. Scherzo. Presto” gestaltet das Eternum Saxophonquartett mit viel Musizierfreude durch Glazunovs Quartett.

Eternum Saxophonquartett mit Ruhe und Raum

Dem nicht genug gibt es dann auch noch zwei Auftragskompositionen auf dem Album. In “Ich träumte, dass ich in demselben Garten eingeschlafen bin und den Atem von jemanden auf meiner Wange spürte” der spanischen Komponistin Helena Cánovas Parés vertonen die vier Musiker*innen die kompositorische Hinwendung von Parés zu inneren Traumwelten, deren Titel Bezug nimmt zu einem Roman von Goran Petrovic. Das “sich treiben lassen” wird mit viel Ruhe und Raum zwischen den Noten schön verbildlicht. Die langen Töne kommen mit viel Sustain sehr gestützt und getragen, was natürlich eine gänzlich andere Atemplanung erfordert als in den  älteren Werken auf der CD. Die nun beabsichtigten Nebengeräusche setzt das Eternum Saxophonquartett mit Maß und sehr gut in den Gesamtvortrag eingebettet um. Neue Musik stößt auf diese Art nicht vor den Kopf, eckt nicht an, sondern schafft immer noch einen rund wirkenden Höreindruck.

Eternum Saxophonquartett, Foto © Anna Tena
Eternum Saxophonquartett, Foto © Anna Tena

Mit “Voyager I” der griechischen Komponistin Konstantía Gourzi setzt das Eternum Saxophonquartett ein neues großes Werk als Abschluss der CD. Gourzi hatte zeitgleich zwei Kompositionsaufträge erhalten, einen für Hornoktett und einen für Saxophonquartett. Thematisch fragte sie sich, was die Menschen im 21. Jahrhundert bewegt, und entschied sich für zwei Reisen ins All. So schickte sie die Hörner los mit der Raumsonde “Voyager II”, die Saxophone durften in “Voyager I” platz nehmen und sich auf den Weg in den Weltraum begeben. Und die Saxophonist*innen machen das so kunstvoll musizierend, ja gar vertonend, dass in mir Bilder alter Science Fiction-Filme auftauchen. Gerade in den langen getragenen Tonpassagen höre ich die rauschende Stille aus “Dark Star” oder die lieblich-nachdenkliche Harmonik aus “Solaris”. Die Mischung aus Akkorden und Läufen, sowie die gemeinsamen Verzierungen im späteren Verlauf wirken sehr beschwingt und sind mit großer Synchronität gespielt.

Das Eternum Saxofonquartett hat sich mit seinem zauberhaften Erstalbum “Voyages” direkt in mein Herz gespielt. Als höchst fähiges Kammermusikensemble sind die vier jungen Instrumentalis*innen damit in hohem Maße beachtens- und hörenswert, und mit spielender Leichtigkeit schaffen sie das Seltene: Begeisterung und Erstaunen.

Titelfoto © Anna Tena

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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