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Martha Argerich Cover

CD-Review: Martha Argerich und Maria Solozobova – Magie

Die russisch-schweizerische Geigerin Maria Solozobova hatte einen Wunschtraum: nämlich einmal die Pianistin Martha Argerich persönlich zu treffen und vielleicht sogar mit ihr zu musizieren. Er sollte sich erfüllen: Beide trafen sich in Genf und spielten die c-Moll-Sonate von Cesar Franck, ohne viele Worte darum zu machen. Die Verbindung zwischen den argentinischen Pianistin und der russisch-schweizerischen Geigerin blieb und wuchs – und führte zu einem Konzertmitschnitt aus der Tonhalle Zürich mit Beethovens Sonate op. 47 und Prokofjews Sonate Nr. 2 D-Dur opus 94. Der gewählte Titel „Magie“ für diese neue auf dem Label Antes erschienene CD tritt auf jeden Fall die Sache. Vollkommenheit und Ernsthaftigkeit beim Musizieren schließen den Spaßfaktor zwischen den beiden Musikerinnen (und ja, auch Musikerinnen-Generationen) nicht aus.Zunächst also Beethovens Sonate opus 47, auch sogenannte „Kreutzer-Sonate“ bekannt – und hierzu eine kleine Notiz am Rande, die zeigt, dass die Heiligen der Musikgeschichte auch nur Menschen waren. Beethoven hatte die virtuose Sonate dem Geiger George Bridgewater gewidmet, mit dem er selbst auch Konzerte gegeben hatte. Aber es gab Zwist zwischen den Männern in irgend einer Frauen-Angelegenheit – und so widmete der gekränkte Beethoven die druckfrische Partitur einem anderen Geiger, nämlich Rudolphe Kreutzer. Der wiederum soll das Werk für unspielbar gehalten haben. 

Martha Argerich unterwegs auf einer weitläufigen Umlaufbahn 

Hörbar auf dieser neuen Liveaufnahme ist, dass Maria Solozobova diese Ansicht wohl kaum teilt. Wenn diverse Kommentare unter einem Konzertvideo auf YouTube bemängeln, dass die Geigerin zu „hart“ spiele, wurde defintivv etwas falsch verstanden. Denn in Maria Solozobovas durchaus etwas rauem, impulsivem Artikulieren lebt ehrliches Selbstbewusstsein und Risikofreude, was jeder gutgemeinten Schönfärberei eine Absage erteilt. Das dürfte im Sinne von Martha Argerich sein, die als großzügige Kammermusikerin immer schon auf die freie Entfaltung ihrer meist jüngeren Spielpartnerinnen und -partner Wert gelegt hat. Martha Argerich selbst lässt im Spiel mit ihrer jüngeren Partnerin nichts zu wünschen übrig, wenn es um emotionale Prachtentfaltung bei konsequenter Genauigkeit bis ins letzte Detail geht. Ist diese geniale Pianistin wirklich schon 82 Jahre alt? 

Maria Solozobova, Foto © Kaupo Kikkas
Maria Solozobova, Foto © Kaupo Kikkas

Beethovens Sonate bietet allen Entfaltungsraum, damit die beiden Musikerinnen ihren gemeinsamen Konsens energisch und mit tiefer Empfindung ausgestalten. Im Kopfsatz mit seinen ausgiebigen Wiederholungen begeben sich beide auf eine weitläufige Umlaufbahn, kosten im langsamen Variationensatz ein Wechselspiel von Innigkeit und Anmut aus und lassen im Scherzo und Presto „ihren“ Beethoven ungestümt rocken. Hier wird mal wieder klar, warum Musik glücklich macht. Mitten in der Arbeit an seiner Oper „Krieg und Frieden“ und an einer Filmmusik für Sergei Eisensteins Film „Iwan der Schreckliche“ komponierte Sergej Prokofjew seine zweite Sonate für Flöte und Klavier. Den großen Durchbruch erfuhr das Stück in der späteren Fassung für Violine. Und ja: Prokofjew war schon immer eine elementare Sache für Martha Argerich. An die Stelle von spektakulärem Sturm und Drang auf ihren frühen Aufnahmen tritt heute die vollkommene Balance zwischen temperamentvollen Energieausbrüchen und analytisch durchdachter Präzision, was hier bei Maria Solozobova auf den denkbar besten Nährboden trifft. Die schwelgende Sinnlichkeit des melodischen Themas im ersten Satz strahlt und glänzt, ohne dass sie zu Lasten der ganzen verfeinerten Raffinesse in Prokofjews Personalstil geht. Aus inniger Zartheit brechen reaktionsschnell Ausbrüche von Affekt und Leidenschaft hervor. Was in Beethovens Sonate die heiße Tarantella im Schlusssatz bewirkt hat, dem entspricht in diesem sinnlichen Prokofjew-Meisterwerk abermals das Schluss-Allegro: Es versetzt in einen tänzerischen, hier ballettartigen Wirbel. Maximalen Lebenshunger, wie er in Musik zum Ausdruck kommen kann, teilen die beiden Musikerinnen durch ihre Interaktion in diesem Live-Konzert ohnehin.

Das Album

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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