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Einfach Klassik.

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CD-Review: Suzana Bartal, Noémi Györi – Exploration

Manchmal setzen Künstler*innen ein einzelnes Stück zum Einfinden in ein Album an den Anfang. Manchmal aber auch nicht. Die Pianistin Suzana Bartal und die Flötistin Noémi Györi steigen auf ihrem neuen Album „Exploration“ mit „Introduktion und Variation über Trockne Blumen“ von Franz Schubert direkt ins Programm ein, denn der Zyklus hat vor dem Variationsthema schon selbst einen Einleitungssatz. 

Vielfalt und Spiel

Noémi Györi postuliert als Herangehensweisen für dieses Album Vielfalt und Spiel. Gerade Erstere tritt in mehreren Ebenen auf der CD in Erscheinung, nicht nur in der puren Werkauswahl, die mit Schubert, Beethoven, Borne und Blahetka schon Abwechslung verspricht, sondern auch in der Tatsache, dass drei der Werke Variationen oder Variationszyklen sind. 

Schuberts Variationen über ein Lied aus der Schönen Müllerin waren eigentlich gedacht für zwei Wiener Musiker*innen und Dozent*innen seiner Zeit, Anna Fröhlich und Ferdinand Bogner. Daraus ergibt sich dass die Klavierstimme nicht einfach Begleitung für die virtuose Flöte ist, sondern selbst durch technisch höchste Ansprüche zu großer Prominenz kommt. Ein Werk also wie geschaffen für die beschlagene und hier schon öfter thematisierte Suzana Bartal am Klavier und die virtuos expressive Flötistin Noémi Györi. Das wird besonders offenbar in der furiosen Klavierstimme der vierten Variation, sowie der in Schuberts Originalfassung zunächst unspielbaren Flötenstimme der folgenden fünften Variation. Beides führen die Musikerinnen mit technischer Akkuratesse und großer Gestaltungsfreude in der Tonformung aus, und behalten dabei aber immer die Schubertsche Verspieltheit und Leichtigkeit im Blick. Trotz dieses Spannungsfeldes bleibt das Werk aber doch immer beschaulich im Vortrag, eine Übersetzung in ambivalentere Gestaltungsbereiche findet nicht statt. Hier bleibt Schubert wie man ihn kennt.

Anders verhält sich das dann bei Beethovens Serenade in D-Dur, Op. 41. Dabei schaffen es Suzana Bartal und Noémi Györi die für den Komponisten typischen Konstruktionstechniken unterschiedlich auszuleuchten als es woanders oft zu hören ist. Sie setzen Töne weitgehend, auch wenn es mal viele zugleich sind, mit manchmal fast an Mozart erinnernder Leichtigkeit, und hauchen damit viel Luft und Raum in die Musik. Dadurch passt dieses Werk dann auf interessante Weise wieder sehr gut zum Schubert am Anfang des Albums. Mühelos wirkt das und doch manchmal verschmitzt, manchmal stürmisch. Das ist sie, die Verspieltheit, die Györi wohl meint. Auch „Andante con Variazioni“ und „Adagio“ sind nicht schwer oder gar monumental, sondern nachdenklich getragen und verträumt.

Noémi Györi ausdrucksstark

Suzana Bartal nimmt uns hier mit ihren von überlegter Agogik geprägten hohen Melodien mit auf eine kleine Wanderung durch die Serenade, sie spielt auf den Punkt, und zeigt einmal mehr, dass das Spiel der Zwischenräume zwischen den Tönen mindestens genauso wichtig ist wie die klingenden Noten. Damit gibt sie der Flötistin Noémi Györi eine große Kulisse, vor und mit der sie interagieren und gestalten kann. Und sie nimmt das sehr gerne an, spielt Töne ausdrucksstark mit sehr unterschiedlichen, klangimmanenten Modulationsverläufen. Wenn man sich ihre längeren Töne genau anhört, dann sind das richtiggehend kleine Geschichten, die sie allein in einem Ton platziert. Natürlich gehört das zur Profession dieses Instrumentes, aber die Ausprägung und die Kunstfertigkeit machen hier dann den Unterschied aus.

Suzana Bartal, Foto © Jean-Babtiste Millot
Suzana Bartal, Foto © Jean-Babtiste Millot

So ergeben die beiden Hauptwerke ein ansprechendes und unterhaltsames Klassikalbum, aber halt! There is one more thing! Das eigentliche Highlight dieser CD ist für mich ein kleines Stück in der Mitte der Werkliste, Blahetkas „Variations for Flute and Piano, Op.39“. Aha, wer ist denn dieser Blahetka? Nie gehört den Namen, und das bei solch wundervoller Musik! Ich google, und finde Leopoldine Blahetka, eine österreichische Komponistin aus dem 19. Jahrhundert. Ach was! Dieses zauberhafte Stück besteht aus einem langsamen, getragenen Teil und einem schnellen, fröhlichen Thema, und beide sind so meisterhaft schön, dass ich meinen Ohren kaum trauen mag. Die anrührenden Melodien im langsamen Teil bringen mich den Tränen nahe, und die Wechsel zwischen szenischer Größe und hurtigem Fang-mich-Spiel im Schnellen zaubern mir Grinsen ins Gesicht. Suzana Bartal und Noémi Györi spielen mit so viel Lust, dass es fast schon an Schadenfreude grenzt wenn sie wissen, welches As sie da im Ärmel haben, das sie mir voller Genuss auf den Tisch knallen, wenn sie das lebhafte Ende mit orchestraler Größe zelebrieren. 

Wenn du den Artikel über Leopoldine Blahetka bei Wikipedia ganz liest, und dann dieses Stück hörst, dann wirst auch du dich fragen, warum wir die Musik dieser Komponistin nicht regelmäßig in den Programmheften unserer Konzerthäuser finden. Hat da jemand Ideen für eine Antwort?

Wieder etwas gelernt, und dabei großen Spaß und ausgiebiges Hörvergnügen gehabt habe ich mit „Exploration“  dieser beiden Ausnahmemusikerinnen. Das solltest auch du dir nicht entgehen lassen!

Titelfoto © Bernadett Swann

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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