Nächste CD vom Rezensionsstapel, rein in den Player. Trio Con Brio aus Kopenhagen. Hmm. Play. Druck. Es drückt mich in meinen Stuhl. Hui geht das los! Geigerin, Cellistin und Pianist des Trio Con Brio spielen von der ersten Note an mit maximaler Ausdrucksstärke und wohl auch Lautstärke. Mieczysław Weinbergs Piano Trio in A-moll, Opus 24 lässt die Musik gleich zu Beginn und eigentlich in weiten Teilen des viersätzigen Werkes in rasantem Wirbelwind und in immer neuen Steigerungen in unermessliche Energiehöhen aufsteigen, abgesehen von den ruhigeren Passagen, in denen oftmals von tiefen Ostinati des Cellos eher entrückte Stimmung erzeugt wird. Weinberg war als polnischer Jude 1945 im letzten Moment vor den Nazis nach Osten geflohen, er sollte als einziger seiner Familie überleben. Eben dann schrieb er das Trio und die Musik spiegelt die Zerrissenheit und Aussichtslosigkeit die ihm seine damals unmittelbar greifbare Geschichte im Angesicht der Vernichtung der Juden gebracht haben muss wider.
Trio Con Brio gehen weiter
Kompromisslos geht das Trio Con Brio folgerichtig die Interpretation dieses Werkes an, und das mit beeindruckenden technischen Möglichkeiten und bemerkenswerter Erfahrung. Die beiden koreanischstämmigen Schwestern Soo-Jin Hong und Soo-Kyung Hong sowie der dänische Pianist Jens Elvekjaer haben sich 1999 in Wien zum Ensemble formiert, und arbeiten seither zusammen. Mit beachtenswerten Interpretationen haben sie sich dabei längst international einen Namen gemacht, und sie gehen mit dieser Veröffentlichung wieder einen Schritt weiter.
Weinbergs hochenergetische Verwobenheit der Stimmen führen die drei Musiker*innen mit blindem Verständnis aus, die hohe Impulshaftigkeit der Musik spielt das Trio Con Brio mit sehr viel Energie, fast schon extrem, aber dies dient nunmal der Darstellung von Verzweiflung und manchmal auch Hoffnungslosigkeit. Im zweiten Satz „Toccata. Allegro“ ziehen die Streicherinnen immer wieder die enervierend aufsteigenden Melodiekaskaden nach oben, und etablieren auf diese Weise eindrucksvoll Unruhe und Rastlosigkeit. In den manchmal wie Druckkammern wirkenden Melodiebögen kommt trotzdem aber nie die Tonformung zu kurz, selbst in schnellen Passagen arbeiten die drei interpretationssicher mit Verzierungen und Verläufen, während das Klavier hin und her geworfen wird zwischen harten rhythmischen Schlagmustern und entrückten Sekundbewegungen.
Ruhe und Entspannung
Der dritte Satz „Poem. Moderato“ beginnt lyrisch, bewegt sich dann aber schnell in die Stimmung der Ausweglosigkeit wo dann Jens Elvekjaer am Piano Raum hat zu atmen und nachdenklich zu stimmen. Zusammen mit den gläsernen Tönen des Cellos zeichnen schleichende Geigenpizzicati düstere Vorahnungen und gleichzeitig Hoffnung auf Befreiung. Die dann doch befriedenden Stimmungen im Finale des Werkes gestaltet das Trio Con Brio mit viel Ruhe und Entspannung, lässt viel Luft zwischen den Tönen und gibt dem Vortrag viel Raum. Im Rückblick auf Weinbergs Trio kann das dann aber doch kein klassisches Happy End sein.
Dem gegenüber wirkt dann Schuberts Klaviertrio wie ein starker Kontrast. Mit klassisch festlichem Angang, musikalisch starken und eingängigen Themen und malerischen Landschaften. Die Musiker*innen vom Trio Con Brio spielen sich die Melodien und Einsätze agil aber nicht mit übertriebenem Einsatz zu, schwellen kurzzeitig in höhere Lautstärken und betten sich im nächsten Moment dann wieder in die anderen Stimmen ein. So entsteht die sehr dreidimensionale Topographie dieser Musik äußerst plastisch vor meinem inneren Ohr, so kann mich Schuberts Musik ideal ergreifen. Man darf sich aber auch nicht täuschen lassen. Das Trio, das Schubert nur ein Jahr vor seinem Tod schrieb ist durchaus ambivalent und in sich kontrovers. Anmutende und manchmal heroische Schönheit wechselt sich ab mit dramatischen Entwicklungen und Phrasen, oder einsamen Einzelmelodien, zum Beispiel des Cellos.
Schubert wurde durch ein schwedisches Volkslied zu diesem Werk inspiriert, das er als Gerüst in den einzelnen Sätzen auftauchen lässt. Im Zweiten „Andante von moto“ erscheint es traurig, schreitend und voller Emotion. Trio Con Brio sind hier auf dem Trauermarsch und ziehen die manchmal sogar gleichzeitig gegenläufig stattfindenden Melodien in langen Bögen, mit viel Stamina. Sehnende und flehende Schönheit die Schuberts Musik oft innewohnt wird damit vordergründig erfahrbar.
In den letzten beiden Sätzen bleiben die Musiker*innen wandlungsfähig, sind mal fröhlich, mal beschaulich, donnern dramatisch und variieren verspielt. Und dabei bleiben sie immer unbestritten Meister*innen ihrer Instrumente.
The Passenger hat bei mir vom ersten Hören an großen Eindruck hinterlassen, und das hat sich im weiteren Verlauf auch nicht geändert. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.
Titelfoto © Nikolaj Lund