Einfach Klassik.

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Interview mit Benedict Kloeckner zum neuen Album

Wenn man ihm in den Medien folgt, dann meint man manchmal fast, der Cellist Benedict Kloeckner sei überall. Zeiten, in denen Konzerttätigkeit möglich ist, nutzt der umtriebige Solist immer sehr rege und ausgiebig. Wie für viele klassische Musiker*innen ist das aber nur eine Seite seiner Karriere, denn Tonträger wollen ja auch veröffentlicht werden. Mit den Cello-Suiten von Bach het er nun seine neueste Veröffentlichung herausgebracht. Welche Überraschungen auf dem Album noch enthalten sind erfahrt ihr hier im Interview mit Benedict Kloeckner.

Herr Kloeckner, “J.S. Bach – 6 Suites for Cello Solo” ist nun Ihre zweite Solo-Veröffentlichung. Bei früheren Aufnahmen und Konzerten waren sie sehr umtriebig in der Zusammenarbeit mit anderen Musiker*innen. Wie unterscheidet sich das Solospiel für Sie von Ihren Kollaborationen?

Im Solospiel genießt man größtmögliche Freiheit und trägt die alleinige Verantwortung für die Interpretation. Man ist gewissermaßen nackt. Wenn man mit tollen Musiker*innen zusammenarbeitet, inspiriert man sich im Gegensatz dazu gegenseitig.

Kloeckner Cover

Die Bach Suiten sind eines der bekanntesten Standardwerke für Cello, und sie wurden schon häufig eingespielt. Dennoch ist die Aufnahme ein größeres Projekt, das sich bei Ihnen über drei CDs erstreckt. Wollten Sie einfach Ihre Version beisteuern, oder gibt es ein besonderes Anliegen für das Werk, das Sie hier formulieren wollten?

Die Bach Cello Suiten sind vielleicht das zentrale Werk der Cello-Literatur. Es ist interessant, dass kein Orginal-Manuskript  von Bach existiert, und man sich als Interpret aus verschiedenen überlieferten Quellen seine eigene Version und Sicht auf die Suiten erarbeiten muss. Mein Anliegen war es, die Frische und Modernität dieser 300 Jahre alten Musik im Kontext mit Musik unserer Zeit aufzuzeigen.

Ganz Solo ist die Produktion ja nicht. Sie haben eigens dafür bei befreundeten Komponist*innen sechs Solostücke für Cello bestellt, die Sie zwischen den Suiten spielen. Wie kam es zu der Idee und zur Auswahl der Kooperationspartner*innen?

Die Idee entstand zu Beginn des ersten Lockdowns. Ich wollte gerne ein Echo unserer Zeit auf die Bach Suiten und die weltweite Pandemie in Auftrag geben. Dies sollte möglichst geographisch und auch stilistisch breit sein. Daher fragte ich 6 großartige Komponist*innen aus 6 verschiedenen Kontinenten.

Wie haben Sie In der Vorbereitung der Produktion die unterschiedlichen Musikstücke zu einem Album verbunden? Haben Sie Vorgaben bei den Kompositionen gemacht, oder hatten die Komponist*innen freie Hand, und Sie waren für die späteren Kombinationen zuständig?

Ich habe den Komponist*innen relativ freie Hand gelassen. Als Anhaltspunkt und Inspiration habe ich Ihnen nur die Bach Cello Suiten, die damalige Situation des Lockdowns und eine ungefähre Länge der Miniaturen an die Hand gegeben. Die entstandenen Stücke habe ich später in die Suiten eingegliedert.

Die unterschiedlichen Charaktere der kommissionierten Stücke ist eindrucksvoll. Gibt es da einen Kompositionsstil, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

Ich liebe die Vielfalt und Abwechslung; jede der Kompositionen hat ihren ganz eigenen Stil, der mich fasziniert!

Nach Wolfgang Rihms “Über die Linie” wenden Sie sich hier wieder einem technisch extrem anspruchsvollen Werk zu. Wie sehen diese Herausforderungen genau für Sie aus, und wie verändert sich Ihre Spieltechnik, während sie diese Projekte durchleben?

Solche technisch und musikalisch herausfordernden Projekte haben für mich einen besonderen Reiz, da man an ihnen wächst. Die Technik ist natürlich immer Mittel zum Zweck. Solche Projekte bieten die Möglichkeit, die Spieltechnik zu verfeinern und zu bereichern und musikalisch zu wachsen. Sowohl die Bach-Cello-Suiten als auch Wolfgang Rihms „Über die Linie“ loten die Grenzen dessen aus, was auf dem Cello möglich ist. Das macht die beiden doch sehr unterschiedlichen Werke besonders spannend!

Gibt es schon Gedanken an zukünftige Aufnahmeprojekte? Haben Sie da eine Liste mit Werken, die Sie gerne mal einspielen würden, oder Musiker*innen, mit denen Sie gerne musizieren würden?

Meine nächste Aufnahme, die erscheinen wird, ist ein Album mit Sonaten von Brahms und Schubert mit der Pianistin Yu Kosuge sowie ein Album, das Enescu und seinem musikalischen Umfeld gewidmet ist. Auch eine CD mit Orchester ist in Planung. 

Benedict Kloeckner, © Marco Borggreve
Benedict Kloeckner, © Marco Borggreve

Wie unterscheidet sich die Veröffentlichung eines Albums während einer Corona-Welle von normalen Zeiten? Können Sie diese Errungenschaft dennoch genießen?

Vor allem der Aufnahmeprozess während der Pandemie war besonders. Es war ein großes Privileg, eine so intensive Vorbereitungszeit durch den Lockdown zur Verfügung zu haben; gleichzeitig kam es auch zu Situationen, in denen ich 2 Stunden draußen im Regen vor dem Studio stehen musste, um auf das verspätete PCR-Test-Ergebnis zu warten, das für den Zugang zum Studio nötig war. Aber mein Cello durfte Gott sei Dank schon vorab rein. Der Veröffentlichungsprozess war eigentlich ähnlich wie zu Vor-Corona-Zeiten.

Wir hatten nun eine Zeit der Öffnung für Konzertveranstaltungen, aber schon wird es wieder schwieriger. Wie haben Sie diese Zeit genutzt? Und wie gehen Sie in der aktuellen Situation die Konzertplanung für 2022 an?

Ich hatte das Glück, dass ich in der Zeit der Öffnungen sehr viele Konzerte spielen konnte. Jetzt gibt es wieder viele Absagen, aber ich versuche, die Zeit wie beim letzten Lockdown als eine Art Sabbatical zu nutzen, um neue Projekte zu kreieren und intensiv zu üben.

Gibt es noch andere Tätigkeitsbereiche, die sie neben Ihrer Solistentätigkeit interessieren, andere Besetzungen, oder gar Lehraufträge?

Ich unterrichte an der Musikhochschule Karlsruhe, das macht mir sehr große Freude! Ich bin auch Leiter des Internationalen Musikfestival Koblenz, diesen Perspektivenwechsel zum Veranstalter finde ich auch sehr spannend. Hier kann ich neue Besetzungen mit fantastischen Musiker*innen ausprobieren, was künstlerisch sehr inspirierend ist.

Herr Kloeckner, vielen Dank für dieses Interview!

Titelfoto: Marco Borggreve

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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