Einfach Klassik.

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Interview mit dem „Duo Natalia“

Die Violinistin Natalia van der Mersch, geboren in Essen und  die Pianistin Natalia Kovalzon aus dem kirgisischen Bistek leben in Luxemburg. Sie können beide auf lange Solokarrieren zurückblicken. Doch seit vierzehn Jahren musizieren sie auch gemeinsam als Duo Natalia.

Wie sind Sie sich begegnet?

Natalia van der Mersch: Wir haben uns kennengelernt  – nicht bei einem Konzert oder im Konservatorium, sondern bei „Little Gym“ – wir waren beide mit unseren kleinen Söhnen, die damals ein Jahr alt waren, dort. Ich habe dort eine sehr hübsche Dame gesehen und gehört, dass sie russisch spricht. Das fand ich sehr interessant, will ich auch russisch sprechen. Ich hatte immer russische Professoren. So kamen wir ins Gespräch und waren uns gleich sehr sympathisch. Schnell stellten wir fest, sie ist Pianistin und ich Geigerin. Ich war damals schwanger mit meinen Zwillingsjungs. Ich schlug vor, wenn die Zwillinge auf der Welt sind, können wir probieren, zusammen zu spielen.

Natalia Kovalzon:  Das hörte sich für mich sehr unwahrscheinlich an, schließlich erwartet sie neben dem kleinen Jungen, den ich gerade kennenglernt hatte, noch zwei Babys und hatte noch drei ältere Kinder.Aber ich sagte – wir können es ja probieren.  Natascha hat wirklich ein sehr gutes Gespür für Menschen und vier Monate später rief sie mich tatsächlich an. Ich war sehr überrascht, konnte es kaum glauben.

NM: Ich gab ihr meine CDs…

NK: Davon war ich sehr beeindruckt und sagte, ja, wir können es versuchen.

NM: Wir haben uns direkt verstanden – menschlich, das ist die Voraussetzung, dass man sich auch musikalisch verstehen kann.  Das erstes was wir probiert haben, das war die Frank Sonate, das ist ein unglaubliches Werk – das ist die Sonate überhaupt für Violine und Klavier.

NK: Und seitdem spielen wir zusammen und haben nicht wieder aufgehört …

NM: Ich habe immer noch ein paar Kinder dazubekommen, aber wir haben nie aufgehört! So ist jetzt unsere dritte gemeinsame CD herausgekommen „My Kreisler Album“. Fritz Kreisler war immer mein Traummann. Seit ich zwölf Jahre alt bin, habe ich mich in ihn verliebt. Ich habe immer seine Stücke gespielt. Bei allen meinen Konzerten war immer ein Stück von ihm als Zugabe dabei. Es war immer mein Traum, ein ganzes Album von ihm zu machen und das haben wir jetzt realisiert.

Duo Natalia
Duo Natalia

Was hat Kreisler, dass Sie sich so ich ihn verliebt haben?

NM: Schauen Sie sich die Fotos an, er war ein ungeheuer gut aussehender Mann, charmant, seine Musik war unglaublich, der ganze Mensch war es. Was er alles gemacht hat! Er hat Medizin studiert. Ich habe mich immer zu ihm hingezogen gefühlt. Er war schon lange Zeit tot, aber das macht nichts. Auch mein Mann wusste es von Anfang an, dass ich in Kreisler verliebt bin. Kreislers Musik war in meinem Leben immer dabei und in schwierigen Momenten hat sie mir geholfen. Wenn man Musik spielt, kommt man in andere Sphären, das ist etwas ganz besonderes.

NK: Kreisler war ein Geiger. Somit ist klar, dass die Klaviermusik bei ihm nur Begleitung ist. Aber seine Kompositionen sind wirklich schön. Sie hören sich sehr leicht an, aber um sie zu spielen, braucht man viel Technik und sehr viel Feinheit. 

NM: Man braucht ja viel Technik, um etwas leicht erscheinen zu lassen. Auf diesem Album ist jedes Stück total anders. Es sind seine Originalstücke, aber Kreisler hat auch viele Bearbeitungen geschrieben oder im Stil von beispielsweise Pugnani – im Stil von Barockmusik, das ist völlig genial. Man hört, dass es nicht original Barockmusik ist und muss dann den Stil finden zwischen der Barockmusik und der Wiener Schule. Meine Mutter ist Kroatin, also ich habe auch K&K –Blut in mir. Ich spüre das sehr.

Wie haben Sie die Stücke von Kreisler für die CD ausgewählt? 

NM: Wir haben uns alle seine Kompositionen angehört und hätten gern alle gespielt. 21 Stücke haben wir schließlich für die CD ausgewählt, da sind auch einige dabei, die hört man sonst nie, z. B. „La chasse“, also „die Jagd“ spielt kein Mensch. Wir finden es genial.

NK: Wir haben gemeinsam unsere Lieblingsstücke ausgewählt und interessanterweise haben wir immer denselben Geschmack. So ist es nicht schwierig. Ich glaube, das liegt an Nataschas slawischen Wurzeln und dass sie russische Professoren hatte.

NM: Die russische Schule ist ja die härteste, die es gibt…  Übrigens sprechen wir auch russisch miteinander.

Frau Kovalzon, Sie stammen aus Kirgisistan?

NK: Ich bin in Bischkek geboren, lebe aber seit zwanzig Jahren in Luxembourg.

NM: Ich lebe seit neunzehn Jahre dort und das sehr gerne. Luxembourg ist sehr international. Ich spreche fünf Sprachen. Die spreche ich ständig dort in diesem kleinen Land, das ist faszinierend.

Duo Natalia
Duo Natalia

Ein Merkmal von Kreislers ist, dass er mit den Tempi spielt und das Rubato liebt. Kommt Ihren das als Violinistin entgegen?

NM: Die Geige ist meine Stimme und meine Seele und damit kann ich alles Ausdrücken, alle Gefühle – Glück, Traurigkeit, Verliebtheit das ist toll. Und seine Arrangements sind phantastisch. Kreisler war auch ein toller Pianist.

NK: Für uns ist es leicht zusammenzuspielen, weil wir das so häufig tun. Wir sind wirklich ein Duo und jede folgt mal der anderen, aber oft sind wir gleichberechtigt. Es ist ein permanenter Dialog. 

NM: Natalia arbeitet im Konservatorium in Luxembourg und die Schule meiner Kinder ist direkt daneben. In der Früh fahre ich sie zur Schule und dann trinken wir einen Kaffee zusammen und üben. Für uns ist das keine Arbeit, sondern eine wahre Freude. Es tut uns richtig gut, das heißt, wir proben sehr viel aus reiner Freude. Damit kann man seine ganzen Energien wieder aufladen. Mit vielen Kindern ist es natürlich auch aufreibend und viele fragen mich, wie schaffst du das mit deinen vielen Kindern, du bist immer so guter Laune und so ausgeglichen. Meine Geige ist mein Ausgleich – eine Art Therapie…

Was ist das Besondere an den Stücken, wenn Kreisler andere Komponisten bearbeitet?

NM: Es ist ganz speziell, z.B. Tschaikowsky –  Also er nimmt den ganzen Orchesterpart und die Melodie und muss ja dann entscheiden welchen Part das Klavier und welchen die Violine übernimmt. Manchmal kann man das nicht erklären, man muss einfach zuhören. 

Gab es für Sie auch unbekannte Stücke?

NK; Beispielsweise sein Stück „Episode“ kannten wir vorher nicht. Als wir es spielten, waren wir total überrascht. Es ist ganz anders als seine übrigen Kompositionen, es ist überaus ansprechend. Wir suchen gern unbekannte Stücke. Auch für unser vorheriges Projekt „Magical Russia“ haben wir Werke gefunden, die noch nicht aufgenommen worden waren, die kein Mensch kennt.

NM;  Natürlich sind auch die Evergreens schön, aber wenn man ein unbekanntes Stück spielt, hat man ja noch gar keine Vorstellung von der Interpretation. Ich habe dann das Gefühl, es ist für mich selbst geschrieben worden. Andererseits ist es auch, schön alte Stücke wieder zu spielen, sowie es eine Entdeckung ist, Bücher, die ich als Jugendliche gelesen habe wie die Leiden des Werthers oder Dostojewski jetzt ganz anders zu lesen.

NK:  Jetzt fließt unsere Lebenserfahrung in die Rezeption und damit auch Interpretation mit ein. Wir haben so viel mehr zu sagen also vor zwanzig Jahren. Wir möchten den Menschen etwas Schönes geben und gute Gefühle vermitteln und sei es nur für die Dauer eines Konzerts.

Duo Natalia, haben Sie herzlichen Dank für dieses lebhafte Gespräch.

Das Album

Icon Autor lg
Als Hörfunkjournalistin habe ich die unterschiedlichsten Formate von der Live-Reportage, über Moderationen bis zum Feature bedient. In den letzten Jahren habe ich meine inhaltlichen Schwerpunkte auf die Kultur gelegt. Als Ethnologin interessiere ich mich schwerpunktmäßig für außereuropäische Literatur. Doch war Musik schon immer mein großes Hobby – Singen in vielen Chören begleitet mich durch mein Leben. Seit einiger Zeit bin ich im Vorstand von Orso Berlin e.V. an der Organisation und Durchführung von großen Konzerten in der Philharmonie mit unserem eigenen Chor und Orchester beteiligt und stehe auch auf der Bühne. Somit ergeben sich bei Gesprächen mit Profimusikern viele Anknüpfungspunkte. Es interessiert mich besonders, welchen ganz persönlichen Zugang die Musikerinnen und Musiker zu ihren jeweiligen Werken finden – oft auch verbunden mit dem Brückenschlag zu anderen Kulturen.
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