logogross

Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

Interview mit Friedrich Kleinhapl zur CD „Gran Pasion Tango“

Ein Gastbeitrag von Beatrice Ballin

Der Cellist Friedrich Kleinhapl veröffentlicht seine neue CD „Gran Pasion Tango“ als Weiterführung einer bestehenden Veröffentlichung. Im Interview erklärt er mehr dazu.

Friedrich Kleinhapl, 2014 erschien Ihre CD „Pasión Tango“. Nun – zehn Jahre später – haben Sie Ihre CD „Gran Pasiòn Tango“ veröffentlicht. Ihre Leidenschaft für den Tango ist also gewachsen?

Das „Gran“ im Titel der CD ist eher ein spielerischer Hinweis auf die größere Besetzung gegenüber der CD Pasión Tango, die für die Besetzung Cello und Klavier arrangiert war. Aber vielleicht haben Sie recht und meine Begeisterung ist in den letzten Jahren wirklich weitergewachsen. Jedenfalls war sie so groß, dass ich unbedingt diesen Versuch mit Orchester umsetzen wollte.

Damals nahmen Sie die CD mit Ihrem Pianisten Andreas Woyke auf, in einer Bearbeitung für Cello und Klavier. Auf der neuen Einspielung werden Sie von der Bohulav Martinu Philharmonie begleitet. Welche Idee steckt dahinter?

Ich hatte nie den Plan, argentinischen Tango zu imitieren. Ganz im Gegenteil: Unsere Idee war es, südamerikanisches Temperament mit europäischem Tiefgang zu verbinden. Und diese Idee war offensichtlich gut, denn das Programm erntete rund um die halbe Welt standing ovations. Also war die Einspielung von Tangos in der Besetzung Cello mit Orchester ganz einfach ein naheliegender nächster Schritt.

Anlässlich der Erscheinung Ihrer CD „Pasion Tango“ im Jahr 2014 sagten Sie, sich mit Tango zu beschäftigen wäre, wie eine Nuss zu knacken, nur dass in der Schale etwas Größeres sei, als überhaupt darin Platz habe, und so sei es immer weitergegangen. Hat sich diese Erkenntnis in den letzten zehn Jahren fortgesetzt?

Es gibt Musik, aus der man etwas machen muss. Aber es gibt auch Musik bei der es anders ist: Sie wartet nicht auf einen Musiker, um sich zu einer Interpretation führen zu lassen. Diese andere Musik übernimmt selbst die Initiative, überrascht und fordert den Musiker heraus. Für mich ist das ein Zeichen für wirklich große Musik. In ihr ergeben sich Universen, die am Beginn nicht zu erahnen sind.

Zwei CDs mit Tangos aufzunehmen ist für eine Klassikvirtuosen ein ungewöhnliches und für den Zuhörer sehr interessantes Projekt. Wie sind Sie überhaupt auf den Tango gekommen?

Ich bin ständig auf der Suche nach Musik, die mir etwas sagt und zu der ich etwas zu sagen habe. Denn ich liebe es zu erzählen – mit Worten und mit Musik. Deshalb verleihe ich meinen Programmen meist einen Spannungsbogen, eine Geschichte. Das gilt auch für die Tango-Programme. In dem Programm „Zwei Söhne Bachs“ stellen wir Piazzolla Felix Mendelssohn-Bartholdy gegenüber. Bindeglied ist Johann Sebastian Bach, der für beide Komponisten eine entscheidende Bedeutung hatte. In „Drei Farben Paris“ wird die ungeheure musikalische Entwicklung in Paris um 1900 thematisiert. Auf die Hochromantik eines César Franck um 1880 folgt wenige Jahre später Claude Debussys impressionistische Musik, die die Stafetten unmittelbar an den Tango, der zu dieser Zeit in Paris boomt, übergibt.

Friedrich Kleinhapl, Foto © Gabriele Moser
Friedrich Kleinhapl, Foto © Gabriele Moser

Der Tango, der um 1900 in den Armenvierteln von Buenos Aires entstand, erfreute sich beileibe nicht immer seiner heutigen Beliebtheit und Akzeptanz. Ganz im Gegenteil: Als er zu Beginn der 1910er Jahre von Argentinien aus Europa erreichte, schlugen die Wellen der Empörung hoch. Es galt diese globale Katastrophe zu verhindern. Dabei war das beileibe nicht die einzige Katastrophe …

Die Geschichte des Tangos gehört zweifellos zu den faszinierendsten in der Musikgeschichte – wie er in Argentinien zum Entsetzen der Mächtigen und Reichen das Land ins schiefe Licht rückte, dann wegen seines globalen Siegeszugs aber doch zum Nationalgut erhoben wurde, um wiederum von denselben Mächtigen und Reichen, die ihn nur wenige Jahre zuvor als nationale Schmach bezeichnet hatten, gegen Astor Piazzolla verteidigt zu werden – im festen Glauben eine vermeintlich uralte Tradition retten zu müssen.

Ebenso faszinierend die Reaktion der westlichen Industrieländer auf den Tango – wie einerseits die Massen in einen regelrechten Tangotaumel verfallen und sich Ende 1913 /Anfang 1914 die Mächtigen der Welt – der deutsche und der österreichische Kaiser, der Papst, unzählige Kardinäle, Erzbischöfe – in einem globalen Schulterschluss zu einem Kampf gegen den Tango zusammen schließen, Verbote aussprechen und alles unternehmen um den Untergang des Abendlandes durch den Tango zu verhindern – so titelt zumindest die New York Times – um gleichzeitig vollkommen blind und ahnungslos wie Schlafwandler in die wirkliche Katastrophe des 1. Weltkriegs zu taumeln.

Dabei darf man nicht übersehen, dass der Tango bei der bürgerlichen und intellektuellen Gesellschaft Argentiniens genauso verpönt war, galt er doch als Tanz der Gosse, als Musik der Desperados, der unanständigsten Häuser und verruchtesten Kneipen. Doch nur wenige Jahrzehnte später identifizierte sich Argentinien mit dem Tango. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Die Argentinier hatten um die Wende zum 20. Jahrhundert offenbar nur ein einziges unendliches Verlangen: sich zu den etablierten Ländern der Welt zählen zu dürfen und auf Augenhöhe mit London, Paris und New York zu sein. Der Tango, der Tanz aus der Gosse, der die Welt in Windeseile eroberte, torpedierte diese Bestrebungen in ihren Augen vollkommen. Erst als man verstand, dass er sich nicht mehr aufhalten ließ, dass er die gesamte Welt eroberte – auch das bewunderte Paris – verstand man, dass er nicht eine Bedrohung, sondern eine Chance darstellte, um zum Ziel zu kommen.

Als dann der argentinische Bandoneonspieler und Komponist Arton Piazolla 1955 den Tango Nuevo begründet, und damit die Konzertsäle erobert, ist das den Argentiniern auch wieder nicht recht. Piazolla wird beschimpft und erhält sogar Morddrohungen. Was ist Tango Nuevo und was hatten die Argentinier nun wieder zu nörgeln?

Bis heute wird Astor Piazzolla in seiner Heimat als Zerstörer des wahren Tangos verurteilt. Zu seinen Lebzeiten gipfelten die Vorwürfe, er habe die uralte Tangotradition – die es nie gegeben hatte – zerstört, in tätlichen Angriffen. Oft wurde er aus dem Taxi geworfen, musste sich gegen die Attacken mit seinen Fäusten verteidigen und schließlich das Land verlassen.

Sie haben Ihr Tangoprogramm auch in vielen internationalen Konzertsälen gespielt. Wie wurde es vom Publikum aufgenommen? Gab es bei den Reaktionen nationale Unterschiede?

Ich war immer neugierig, wie die ungeschminkte Emotionalität, die in unserer Interpretation durchaus nicht immer nur schön klingt, in anderen Ländern und Kontinenten aufgenommen wird. Zu meiner großen Freude gab und gibt es, wo immer wir unsere Tangos spielen, standing ovations auch in Nord-und Südamerika, in China und Japan. Besonders stolz machte uns ein Konzert in dem imposanten Teatro Metropolitano in Medellin in Kolumbien. „Por una Cabezza“ von Carlos Gardel stand auf dem Programm – das Nationalheiligtum Medellins, denn der berühmte Taguero Carlos Gardel war bei einem Flugzeugunglück hier ums Leben gekommen. Drei ältere Herren suchten uns nach einem Konzert in unseren Garderoben auf: „So großartig haben wir dieses Stück, unsere Hymne, noch nie gehört.“

Friedrich Kleinhapl, vielen Dank für dieses Gespräch!

Titelfoto © Christian Jungwirth

Icon Autor lg
Dots oben

Das könnte Dir auch gefallen

Dots unten
Dots oben

Verfasse einen Kommentar

Dots unten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

Icon Mail lg weiss

Bleib informiert & hol dir einen
exklusiven Artikel für Abonnenten