In den weihnachtlich geschmückten Gassen von Barcelonas Altstadt herrscht aufgeregtes Treiben. Nationale Belange scheinen hier am Spätnachmittag des „Día de la Constitución“, mit dem alljährlich am 6. Dezember der Verabschiedung der spanischen Verfassung im Jahr 1978 gedacht wird, allerdings weniger eine Rolle zu spielen. Während die meisten dem Weihnachts-Shopping auf den Ramblas und manche dem Flanieren am Barceloneta-Strand den Vorzug geben, haben Musikfreunde und Fans der Opera Popular de Barcelona ihren Weg in den Palau de la Música Catalana gefunden.
‚Opera Popular‘, das steht für eine Initiative, die darauf abzielt, klassische Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Zumeist sind das die Blockbuster aus dem Opernrepertoire wie in dieser Saison La Traviata, Carmen und die Zauberflöte. Das Casting der Aufführungen speist sich aus einem großen Netzwerk in Katalonien beheimateter Künstler*innen aus verschiedenen Sparten der Darstellenden Kunst. Gemeinsam wollen sie klassische Bühnenwerke für eine vielfältige Hörerschaft zugänglich machen.

Neben bekannten Opern setzen die Veranstalter auch sinfonische Musik und Chorliteratur auf’s Programm und so kam an diesem Feiertag neben den Mozart Divertimenti D-Dur und F-Dur für Streichorchester und seinem „Adagio und Fuge c-Moll“ auch dessen Requiem zur Aufführung. Und dies wurde, entsprechend dem Anliegen der Opera Popular, in einem besonderen Format präsentiert. Der Konzertabend war dem spanischen Tänzer und Choreographen Juan Magriño (1903- 1995) gewidmet, dessen Einfluss auf die Ästhetik des Bühnentanzes in Katalonien als bahnbrechend gilt. Als Primoballerino tanzte er 40 Jahre lang im Liceu, dem legendären Opernhaus von Barcelona, als Lehrer bildete er drei Generationen Tänzerinnen und Tänzer aus, und seine choreografischen Konzepte zählten seinerzeit zu den innovativsten des Landes.
Was die Aufführung mit Juan Magriño verband, war das Debüt der drei jugendlichen Tänzer*innen Izan Campos, Dolça Gallego und Ton Puntí sowie der Auftritt von Magriños Star-Schülerin, der heute 80-jährigen Asunción Aguadé. An Magriños eigenes Debüt im Palau de la Música vor etwa 100 Jahren erinnerten sie, indem sie die Inhalte der Totenmesse mit ihren tänzerischen Darbietungen verbanden, wobei Elemente des klassischen Balletts vorherrschten.

In Form einer elfengleichen Lichtgestalt erschien die junge Ballerina (Dolça Gallego), um den verstorbenen Jüngling (Izan Campos) zum Leben zu erwecken. Tod und Leben, Auferstehung, Trauer und Hoffnung verschmolzen im insgesamt zurückhaltenden Tanz des dreiköpfigen Nachwuchsensembles (Ton Puntí als Trauernder) mit Mozarts Musik. Dezente Lichteffekte tauchten die Bühne des modernistischen Konzerthauses in warme Farben, die Ernsthaftigkeit der jungen Tänzer*innen war beeindruckend, wenngleich die Choreographie ein wenig Fantasie vermissen ließ.
Der stimmgewaltige Chor (Cor de Cambra de l’Auditori Enric Granados) füllte den Saal mit überzeugendem Forte, konnte aber bei den sensiblen Registern nicht wirklich punkten. Etwas weniger ‚opereske‘ Interpretation hätte auch dem Solistenensemble nicht geschadet, dass mitreißend und hochemotional musizierte, sich aber in den Quartetten nicht aufeinander einschwingen wollte. Umso schwungvoller agierte das Orchester (Orquestra de Cambra Terrassa 48), das unter der Leitung von Quim Térmens bereits im ersten Konzertteil zum Tanz aufzuspielen schien und auf das theatrale Element des inszenierten Requiems vorbereitete. Wundervoll leichtfüßige Klangwellen schwappten von der Bühne herunter – dem Ziel, Mozarts Musik einem breiten Publikum schmackhaft zu machen, wurde das Ensemble mehr als gerecht. Das begeisterte Publikum belohnte das Ensemble mit frenetischem Applaus.
Titelfoto © Stasik Biel.